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Mündliche Anfrage Nr. 1: Die Landtagsabgeordneten Abgeordnete Ottmar von Holtz, Helge Limburg und Belit Onay (GRÜNE) hatten gefragt:

Forschung an niedersächsischen Hochschulen in Risikotechnologien: Wie stellt die Landesregierung Transparenz sicher?


Am 9. Februar 2015 hat die Ministerin für Wissenschaft und Kultur, Gabriele Heinen-Kljajić, zu einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Vorsitzenden der Landeshoch-schulkonferenz, Prof. Wolfgang-Uwe Friedrich, und dem Präsidenten der TU Braunschweig, Prof. Jürgen Hesselbach, eingeladen, um die „Leitlinien zur Transparenz in der Forschung“ vorzustellen. Diese hat die Landesregierung gemeinsam mit den Hochschulen des Landes Niedersachsen entwickelt. Sie sollen den wissenschaftlichen und ethischen Diskurs über Forschungsaktivitäten befördern.

Mit diesen Leitlinien setzt die Landesregierung neben weiteren Maßnahmen die im Koalitionsvertrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen vereinbarte größere Transparenz in der Forschung von Risikotechnologien um. Im Koalitionsvertrag wird eine öffentliche Auseinandersetzung um Forschungsaufträge, Forschungsgegenstände und die Abschätzung möglicher Folgen bei der Anwendung von Forschungsergebnissen gefordert. Ergebnisse öffentlich geförderter Forschungsvorhaben sollen allgemein zugänglich sein. Unter anderem heißt es dort auch, dass die Koalition darauf hinwirken werde, „dass sich alle Hochschulen ein Leitbild geben, mit dem sie sich zu ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bekennen.“ Außerdem sollen die Hochschulen aufgefordert werden, „im Bereich von Risikotechnologien und Forschungsvorhaben mit militärischer Relevanz eigene Plattformen für einen ethischen Diskurs zu schaffen.“

Dies vorausgeschickt, werden die Fragen namens der Landesregierung wie folgt beantwortet:

Forschung schafft wesentliche Grundlagen für den gesellschaftlichen Fortschritt. Sie trägt dazu bei, neues Wissen zu generieren und neue Lösungen für Probleme zu finden. Sie dient damit der Bewältigung der großen Herausforderungen unserer Zeit und fördert Gesundheit, Wohlstand und Sicherheit der Menschen. Eine Voraussetzung hierfür ist die Freiheit der Forschung, die durch Artikel 5 Absatz 3 des Grundgesetzes besonders geschützt ist. Zugleich ist die Forschung aber auch dem Schutz anderer verfassungsrechtlicher Güter verpflichtet, wie der Menschenwürde, dem Leben und der Gesundheit der Menschen sowie dem Schutz der Umwelt.

Die Freiheit der Forschung ist mit einer hohen gesellschaftlichen Verantwortung verbunden. Denn in allen Wissenschaftsbereichen besteht auch die Gefahr, dass nützliche Forschungsergebnisse zu schädlichen Zwecken missbraucht werden können. Zum Beispiel können Forschungsergebnisse zu pathogenen Mikroorganismen und Toxinen unter Umständen nicht nur der Gesundheitsforschung dienen, sondern auch zur Herstellung von Biowaffen und für terroristische Anschläge nutzbar gemacht werden. Oder Arbeiten zum Schutz gegen Schadsoftware können nicht nur deren Verhinderung dienen, sondern auch deren Verbreitung fördern. Die Debatte über die Ethik in der Forschung rückt vor dem Hintergrund möglicher Risiken zunehmend in den Fokus und war in den vergangenen Monaten Gegenstand eines breiten gesellschaftlichen und medialen Austauschs. Aber auch zentrale wissenschaftliche Institutionen wie die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und die Leopoldina haben mit ihren im Jahr 2014 vorgelegten Empfehlungen wichtige Maßstäbe gesetzt. In diesem Zusammenhang sind auch die Empfehlungen der Max-Planck-Gesellschaft (MPG) zum verantwortlichen Umgang mit Forschungsfreiheit und Forschungsrisiken aus dem Jahr 2010 zu nennen, sowie die Stellungnahme des Deutschen Ethikrates zur Biosicherheit aus dem Jahr 2014. Diese belegen, dass es in den vergangenen Jahren ein zunehmendes Interesse auch von Teilen der Wissenschaft an wissenschaftsethischen Fragen gibt.

Die Niedersächsische Landesregierung hat sich vor diesem Hintergrund zum Ziel gesetzt, die Transparenz in der Forschung deutlich zu erhöhen. Denn nur eine größtmögliche Transparenz schafft die Voraussetzungen für eine öffentliche Auseinandersetzung um Forschungsaufträge, Forschungsgegenstände und die Abschätzung möglicher Folgen bei der Anwendung von Forschungsergebnissen. Um diese öffentliche Debatte sowohl an den Hochschulen als auch gesamtgesellschaftlich zu ermöglichen, haben Land und Hochschulen bereits im Hochschulentwicklungsvertrag vereinbart, Transparenz darüber herzustellen, wer in wessen Auftrag mit welcher Fragestellung forscht. In den Zielvereinbarungen, die das Land Ende des vergangenen Jahres mit allen Hochschulen abgeschlossen hat, verpflichten sich diese, regelmäßig Auskunft über drittmittelfinanzierte Forschungsprojekte zu geben. In den jetzt vereinbarten Leitlinien zur Transparenz in der Forschung wird die praktische Umsetzung dieser Vereinbarung konkretisiert.

1. Warum ist nach Auffassung der Landesregierung Transparenz in der Forschung von Bedeutung?

Zu 1:

In dem Spannungsfeld von Wissenschaftsfreiheit und Verantwortung stehen Forscherinnen und Forscher besonders in der Pflicht. Sie müssen ihr Wissen, ihre Erfahrungen und Fähigkeiten einsetzen, um Risiken zu erkennen, abzuschätzen und zu bewerten, um sie soweit wie möglich zu minimieren. Darüber hinaus sind auch die Organisationen und Institutionen der Wissenschaft gefragt, Rahmenbedingungen für eine ethisch reflektierte Forschung zu schaffen und Raum für einen Austausch darüber zu schaffen. Deshalb gilt es, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, aber auch Forschungsinstitutionen gleichermaßen zu adressieren, für z. B. sicherheitsrelevante Aspekte ihrer Arbeit zu sensibilisieren und ihnen eine Orientierung für den Umgang mit möglichen Risiken an die Hand zu geben.

Aus Sicht der Landesregierung ist es daher notwendig, bei der Beurteilung von Forschungsvorhaben neben der Machbarkeit auch deren Folgen und Beherrschbarkeit zu berücksichtigen. Gewährleisten kann dies eine größtmögliche Transparenz, die auch eine öffentliche Auseinandersetzung um Forschungsaufträge, Forschungsgegenstände und die Abschätzung möglicher Folgen bei der Anwendung von Forschungsergebnissen ermöglicht. Nur eine breite gesellschaftliche Debatte kann letztendlich klären, welche Forschung gesellschaftlich verantwortbar ist und welche nicht. Eine solche öffentliche Auseinandersetzung ist nur dann möglich, wenn die Informationen darüber, wer mit wessen Mitteln an welchen Inhalten forscht, öffentlich zugänglich sind. Die Öffentlichkeit hat zudem das Recht zu erfahren, welche Forschung an öffentlich finanzierten Hochschulen stattfindet.

In diesem Sinn begrüßt die Landesregierung die intensive Debatte, die in der Wissenschaft und aus der Wissenschaft heraus über Fragen der Forschungsethik bereits geführt wird. Sie ist der Auffassung, dass anknüpfend an die aus der Wissenschaft vorgelegten Vorschläge der Doppelweg einer bindenden Selbstverpflichtung und einer institutionellen Absicherung des Diskurses an den Hochschulen der vielversprechendste und gleichzeitig der der Wissenschaftsfreiheit und dem berechtigten öffentlichen Interesse am besten entsprechende Weg ist, um deutliche Fortschritte hin zu mehr Transparenz und wissenschaftsethischer Reflexion zu erzielen.

2. Was hat die Landesregierung bisher unternommen, um mehr Transparenz in der Forschung zu ermöglichen?

Zu 2:

Als einen ersten Schritt hat die Landesregierung im Februar vergangenen Jahres eine Übersicht zu militärisch und sicherheitstechnisch relevanten Forschungsprojekten vorgelegt, die an Hochschulen sowie außeruniversitären Forschungseinrichtungen in Niedersachsen seit dem Jahr 2000 betrieben wurden. Damit wurde ein Höchstmaß an Transparenz in diesem Bereich geschaffen. Das Ministerium für Wissenschaft und Kultur (MWK) hatte zu diesem Zweck 64 Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen in Niedersachsen nach Projekten gefragt, deren öffentliche und private Auftraggeber militärische Interessen nahelegen. 21 Einrichtungen meldeten daraufhin insgesamt 148 militärisch relevante Forschungsprojekte. Darunter waren zehn Hochschulen mit Forschungsprojekten im Umfang von insgesamt 25,3 Millionen Euro an Drittmitteln und elf außeruniversitäre Forschungseinrichtungen mit einem Drittmittelvolumen von sechs Millionen Euro.

Die im Koalitionsvertrag verankerte Forderung nach mehr Transparenz in der Forschung ist zudem Ende 2013 in den Hochschulentwicklungsvertrag und in die für den Zeitraum 2014 bis 2018 abgeschlossenen Zielvereinbarungen im Sinne einer verbindlichen Verpflichtung eingeflossen. Im Hochschulentwicklungsvertrag wurde zu dem Punkt „Transparenz in der Forschung gewährleisten:“ Folgendes vereinbart:

„Die niedersächsischen Hochschulen ermöglichen eine öffentliche Auseinandersetzung um Forschungsaufträge, Forschungsgegenstände und die Abschätzung potenzieller Folgen bei der Anwendung von Forschungsergebnissen durch den allgemein möglichen Zugang zu Ergebnissen öffentlich geförderter Forschungsvorhaben. Sie entwickeln gemeinsam mit den Universitätsbibliotheken eine Open-Access-Strategie und stellen Transparenz darüber her, wer in wessen Auftrag mit welcher Fragestellung forscht. Alle niedersächsischen Hochschulen werden sich in ihrem Leitbild zu ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bekennen und für ihre Forschungsaktivitäten eine Plattform für einen wissenschaftlichen und ethischen Diskurs schaffen, in Orientierung an bereits bestehenden Kommissionen für Forschungsfolgenabschätzungen und Ethik. Dabei wird auch die Beteiligung von Studierenden sowie Doktorandinnen und Doktoranden gewährleistet.“

Landeshochschulkonferenz (LHK) und MWK haben zudem zur Umsetzung dieser Vorgabe eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die in einem strukturierten Diskussionsprozess „Leitlinien zur Transparenz in der Forschung“ erarbeitet hat. Diese Leitlinien konkretisieren die Vereinbarung des Hochschulentwicklungsvertrages, die sich an alle im Bereich der wissenschaftlichen Forschung tätigen Personen richten, unabhängig von ihrer statusrechtlichen Zuordnung. Gleichzeitig verpflichten sich das Land und die Hochschulen, die erforderlichen Rahmenbedingungen zu schaffen. Die hochschulspezifische Konkretisierung der Transparenzpflichten ist in den Zielvereinbarungen verankert.

Am 12. Februar 2015 wurden die Leitlinien als von der LHK und dem MWK gemeinsam getragene Position der Öffentlichkeit vorgestellt.

3. Was hat die Landesregierung in den Leitlinien mit den Hochschulen vereinbart?

Zu 3:

Ausgangsbasis ist die Transparenz über die Projektförderungen. Zu den Vereinbarungen mit den Hochschulen gehört die Publikation der wesentlichen Projektdaten, wie Projektname, Laufzeit, Fördersumme, Auftraggeber und durchführende Organisationseinheit zu einem festgelegten Stichtag im Internet. Die Hochschulen erfassen jeweils zum 1. Dezember die grundlegenden Daten über die dann laufenden drittmittelfinanzierten Projekte und stellen diese in ihrem Internetauftritt bis zum 31. März des Folgejahres der Öffentlichkeit zur Verfügung. Der 31. März 2016 ist der erste Veröffentlichungstermin. Zudem sollen auch die Projektergebnisse öffentlich zugänglich gemacht werden, indem nach Abschluss eines Projekts der Öffentlichkeit eine Kurzfassung über das Internet zur Verfügung gestellt wird. Eine Einschränkung dieser Pflichten ist nur dann möglich, wenn bei der Einwerbung von Projekten privater Drittmittelgeber mit Blick auf die Vermeidung von Wettbewerbsnachteilen oder andere schutzwürdige Interessen Vertraulichkeit geboten ist. Mittelfristig strebt die LHK an, die Daten über ein landesweites Forschungsinformationssystem zur Verfügung zu stellen.

Innerhalb der Hochschulen soll durch die Implementierung geeigneter Plattformen der wissenschaftliche und ethische Diskurs über Forschungsaktivitäten gewährleistet werden: Mit der Einrichtung von Senatskommissionen für Forschungsethik an den Hochschulen, die alle Mitgliedergruppen der Hochschulen einbinden, wird der formale Rahmen für die Beratung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern geschaffen und ihnen eine Hilfestellung bei der Beurteilung ethischer Aspekte und Folgeabschätzungen ihrer Forschungstätigkeit gegeben. Von besonderer Bedeutung ist dabei die Beteiligung von Studierenden sowie Doktorandinnen und Doktoranden. In den Senatskommissionen für Forschungsethik können alle Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einer Hochschule die Befassung mit einem ihrer Forschungsvorhaben beantragen. Zusätzlich haben die Senatskommissionen die Möglichkeit, sich, wenn das festgelegte Quorum zustimmt, von sich aus mit grundsätzlichen Fragen zu befassen.

Die Kommunikation mit der Öffentlichkeit und der Diskurs mit der Zivilgesellschaft sind unerlässlich, um ein breiteres Verständnis für Forschungsfragen in der Bevölkerung zu schaffen und einen gesellschaftlichen Diskurs über die Aufgaben, Pflichten und Grenzen von Forschung anzustoßen. Vor diesem Hintergrund wurde mit den Hochschulen vereinbart, dass sie über die bisherige Praxis hinaus neue Formate erproben und dabei vor allem auch die Neuen Medien einbeziehen werden.

Moderne Hochschulen sind sich ihrer besonderen Rolle in und für die Gesellschaft bewusst und sind daher auch bestrebt, in Kontakt mit der Zivilgesellschaft zu treten, um sie über ihr Tun zu informieren.

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Artikel-Informationen

erstellt am:
24.02.2015

Ansprechpartner/in:
Pressestelle MWK

Nds. Ministerium für Wissenschaft und Kultur
Referat für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Leibnizufer 9
30169 Hannover
Tel: 0511/120-2599
Fax: 0511/120-2601

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