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Antwort der Landesregierung auf die Mündliche Anfrage Nr. 5

Umgang mit durch die Nationalsozialisten geraubten und entzogenen Kulturgütern


Der Umgang mit durch die Nationalsozialisten geraubten und entzogenen Kulturgütern wurde durch den Fall „Gurlitt“ virulent. Im Zuge der rassistischen, menschenverachtenden Vertreibungs- und Vernichtungspolitik des NS-Regimes von 1933 bis 1945 und der brutalen Besetzung und Ausplünderung zahlreicher europäischer Staaten kam es zu einem massiven Raub von Kunstwerken durch die Nationalsozialisten. Einige dieser Kunstwerke tauchten nach dem Krieg in öffentlichen Museen, andere in privaten Sammlungen wieder auf.

Dies vorausgeschickt, werden die Fragen namens der Landesregierung wie folgt beantwortet:

1. Gibt es in Niedersachsen eine systematische Untersuchung darüber, ob sich von den Nationalsozialisten geraubte oder konfiszierte Werke in niedersächsischen Museen oder anderen öffentlichen Einrichtungen befinden?

Seit einigen Jahren findet in den Niedersächsischen Landesmuseen mit Sammlungen Bildender Kunst und kulturhistorischer Bestände in Braunschweig, Hannover und Oldenburg eine systematische Provenienzforschung, das heißt die Forschung nach der Herkunftsgeschichte von Objekten, statt.

Die Provenienzforschung ist in Bezug auf die Bestände im Herzog Anton Ulrich-Museum in Braunschweig (HAUM) abgeschlossen und veröffentlicht. Im Niedersächsischen Landesmuseum Hannover (NLMH) und im Landesmuseum Oldenburg (LMO) dauern diese noch an. Das Braunschweigische Landesmuseum (BLM) und die beiden Naturhistorischen Museen in Oldenburg (Natur und Mensch) und Braunschweig (Staatliches Naturhistorisches Museum) haben bisher noch keine Projekte zur Provenienzforschung durchgeführt, diese sind jedoch in Planung.

Im Landesmuseum Hannover (NLMH) und im Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte (LMO) in Oldenburg wurden mit Unterstützung des Ministeriums für Wissenschaft und Kultur (MWK) sowie dem Bundesbeauftragen für Kultur und Medien (BKM) zwei Provenienzforscher eingestellt. Damit ist die Provenienzforschung ein selbstverständlicher und integraler Bestandteil der wissenschaftlichen Erschließung der Bestände der genannten Landesmuseen geworden.

Sämtliche Fälle mit zweifelhafter Herkunft werden von den Niedersächsischen Landesmuseen umgehend an die zentrale Erfassungsstelle in Magdeburg gemeldet und sind somit öffentlich einsehbar (www.lostart.de).

2. Wie unterstützt die Landesregierung die niedersächsischen Museen dabei, beim Ankauf von Museumsgut mögliche Ungereimtheiten in Bezug auf die Herkunft der Werke zu erkennen?

Dem MWK ist die Aufgabe einer umfassenden Erfassung und Aufklärung aller Fälle von Raubkunst in Niedersachsen, aber vor allem auch die Vorsorge sehr wichtig. Deshalb hat das Ministerium die Erarbeitung eines „Leitfadens zum Erwerb von Museumsgut“ beauftragt, der vor einigen Wochen herausgegeben wurde und derzeit allen niedersächsischen Museen zugeht. Die Themen Provenienz, NS-verfolgungsbedingte Verluste, sog. Entartete Kunst, Raub- bzw. Beutekunst, Kriegsverluste aus der Zeit des 2. Weltkriegs bilden einen Schwerpunkt des Leitfadens. Die Landesregierung möchte damit den Museen in Niedersachsen eine Hilfestellung geben und all diejenigen, die im Bereich der Museen Verantwortung tragen, für das Thema sensibilisieren.

3. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung darüber, in welchem Umfang und wo sich in Niedersachsen NS-Raubkunst befindet?

In Bezug auf die Landesmuseen kann dieses wie folgt beantwortet werden:

Im Herzog Anton Ulrich-Museum in Braunschweig (HAUM) handelt es sich vorwiegend um Altbestände, die vor 1900 erworben worden sind. Objekte, die nach 1945 in die Sammlung kamen und bei denen es sich u. a. um Gemälde aus den Beständen des in Linz geplanten sog. Führermuseums handelte (heute als „Eigentum der Bundesrepublik Deutschland“ in den Museen gekennzeichnet), waren Gegenstand eines Provenienzforschungsprojektes: Im HAUM werden demzufolge sechs Gemälde mit dubioser Herkunft bewahrt, die zwischen 1933 und 1945 angekauft wurden. Diese sind an die zentrale Erfassungsstelle in Magdeburg gemeldet worden.

Die vom HAUM initiierten Forschungen zu möglicherweise dubiosen Erwerbungen der Kriegsjahre sind publiziert in: Hansjörg Pötzsch: „Bitte großzügig bieten". Die Erwerbungen des Herzog Anton Ulrich-Museums Braunschweig im überregionalen Kunsthandel 1942/43 und die schwierigen Recherchen zu deren Provenienz, Braunschweig 2012.

Braunschweigisches Landesmuseum (BLM): Bezogen auf das BLM gibt es keine Kenntnis von Raubkunst/entarteter Kunst im Sammlungsbestand. Bereits früher durchgeführte Stichproben haben keine Anhaltspunkte bezüglich Erwerbungen im Sinne von Raubkunst ergeben.

Landesmuseum Hannover (NLMH): Aussagen über mögliche Bestände an NS-Raubkunst können seitens des Landesmuseums Hannover nur für Kunstwerke aus Landeseigentum getroffen werden (etwa 50 % des im EDV-Inventar erfassten Gesamtbestands). Seit 2008 werden alle Bestände aus Landeseigentum einer systematischen Provenienzprüfung unterzogen, d. h. alle Kunstwerke auf ihre Herkunft hin untersucht, die nach 1933 in die Sammlung gekommen und vor 1945 entstanden sind. Davon wurden bisher etwa 70 % als unbedenklich oder geklärt eingestuft. Bei den verbleibenden ca. 30 % ist ein NS-verfolgungsbedingter Entzug derzeit nicht auszuschließen, so dass die Provenienz von Fall zu Fall lückenlos geklärt werden muss. Bisher wurden 19 Kunstwerke mit gänzlich unbekannter Herkunft oder auffälliger/bedenklicher Provenienz an die Koordinierungsstelle Magdeburg übermittelt. Eine dritte Fundmeldung ist in Kürze vorgesehen.

Im Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg (LMO) wurden sämtliche Erwerbungen zwischen 1933 und 1945 in Hinblick auf Anzeichen verfolgungsbedingter Erwerbungszusammenhänge überprüft. Während verdächtige Eingänge dieser Jahre bereits untersucht wurden, stehen detaillierte Herkunftsüberprüfungen der übrigen Erwerbungen noch aus. Das seit 2012 von der Arbeitsstelle für Provenienzforschung aus Mitteln des Bundes geförderte Projekt „Gemälde, Skulpturen, ‚Hollandmöbel’ - Provenienzforschung am Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg“ setzt die Überprüfung für die Gemälde- und Skulptureneingänge der Jahre 1945 bis 1966 sowie die Möbelbestände, die zwischen 1940 und 1945 erworben wurden, fort. Am Landesmuseum Oldenburg, das angesichts seiner Grenznähe zu den Niederlanden eine hohe Forschungsrelevanz besitzt, sind insgesamt rund 20 500 Exponate auf den Prüfstand zu stellen.

Bisher konnten vier Fälle von Raubkunst eindeutig identifiziert werden, die aus dem kunstgewerblichen Bestand des Museums stammen. In Bezug auf zwei Objekte hat das Museum ein Restitutionsverfahren initiiert, da ein erbberechtigter Nachfolger ermittelt werden konnte.

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Artikel-Informationen

erstellt am:
28.03.2014

Ansprechpartner/in:
Pressestelle MWK

Nds. Ministerium für Wissenschaft und Kultur
Referat für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Leibnizufer 9
30169 Hannover
Tel: 0511/120-2599
Fax: 0511/120-2601

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