Antwort der Niedersächsischen Wissenschaftsministerin Gabriele Heinen-Klajić zur Dringlichen Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriele Andretta, Renate Geuter und Andrea Schröder-Ehlers (SPD):
Libeskind-Bau der Leuphana Universität Lüneburg – Ein Prestigeobjekt mit unsauberen Finanzierungstricks und unkalkulierbaren Risiken?
Es gilt das gesprochene Wort
Die Leuphana Universität Lüneburg hat nach der Fusion mit der Fachhochschule Nord-Ost-Niedersachsen eine umfassende Neuausrichtung erfahren.
Zur Neuausrichtung der Universität gehört als ein wesentlicher Aspekt die Schaffung eines zentralen Standortes am Campus Scharnhorststraße.
Im Mittelpunkt der Campusplanung steht die Errichtung eines neuen Zentralgebäudes mit Auditorium Maximum. Ziel des Präsidiums ist es, die Hochschuleinrichtungen an einem Standort zu konzentrieren und dafür einen architektonischen Mittelpunkt zu errichten.
Der Landesrechnungshof (LRH) hatte im Jahr 2011 in einem ersten Teil das Finanzierungskonzept für den Zentralbau im Zuge der bisherigen Projektrealisierung geprüft. Er kam im wesentlichen zu dem Ergebnis, dass das Konzept aus seiner Sicht als nicht gesichert angesehen werden kann. Hauptkritikpunkte waren dabei insbesondere, dass Verwertungserlöse aus Liegenschaftsverkäufen der Stiftung Leuphana als unrealistisch eingeschätzt wurden.
In einer zweiten Prüfmitteilung vom 13.03.2013 bemängelt der LRH zudem, dass die Hochschule bezüglich der Beratungsverträge ihrer Meldepflicht gegenüber dem Land nicht ordnungsgemäß nachgekommen sei, vergaberechtliche Anforderungen/Bestimmungen und Musterverträge des Landes nicht hinreichend beachtet sowie einzelne Auftragnehmer durch besondere Zahlungsmodalitäten und nicht nachvollziehbare Vergütungen begünstigt habe. Das MWK wird zu den Punkten der Prüfungsmitteilung, die im eigenen Entscheidungsbereich des MWK oder in den Bereichen, in denen die Leuphana als Stiftung eigenständig tätig geworden ist aber dem MWK die Überwachung obliegt, Stellung nehmen.
Am 5. Oktober 2010 leitete das europäische Amt für Betrugsbekämpfung OLAF eine Untersuchung im Zusammenhang mit dem Bau des Zentralgebäudes der Leuphana Universität Lüneburg ein. Es sollten mögliche Verletzungen von Ausschreibungspflichten bei der Auftragsvergabe für Architektenleistungen, mögliche Unregelmäßigkeiten in Ausschreibungsverfahren, die zweckmäßige Verwendung der Fördermittel im Bezug auf genehmigte/geförderte Flächen und mögliche Interessenkonflikte der handelnden Personen überprüft werden. Mögliche Beanstandungen werden von der Generaldirektion Regionalpolitik der Europäischen Kommission (GD Regio) bewertet und können zu einer Finanzkorrektur bzw. zu Sanktionen führen.
Der Landesregierung liegt seit Dienstagnachmittag ein vertraulicher Vorab-Bericht vom OLAF dazu vor. Nach einer ersten Einschätzung sind finanzielle Konsequenzen zu erwarten. Die offizielle Fassung wird in Kürz eintreffen. Sobald dieser autorisierte Abschlussbericht eingegangen ist, wird die Landesregierung diesen bewerten.
Sobald die GD Regio der Europäischen Kommission auf dieser Grundlage entschieden hat, wird die Landesregierung dazu Stellung beziehen. Das MWK wird zudem prüfen, inwieweit es Versäumnisse bei der Hochschulleitung, dem Stiftungsrat oder auch im Rahmen der Aufsicht gegeben hat. Der Landesregierung ist in diesem Zusammenhang an größtmöglicher Transparenz gelegen, selbstverständlich unter Beachtung aller schutzwürdigen Interessen.
Es gibt eine weitere neue Entwicklung:
Nach derzeitigem Stand hat es beim Bau des Zentralgebäudes Verzögerungen gegeben. Am 15.04.2013 hat die Leuphana beim MWK einen Änderungsantrag eingereicht, der mit Schreiben vom 06.05.2013 aus formalen Gründen zurückgewiesen wurde. MWK fordert in dem Schreiben zudem nachvollziehbare Begründungen für die Verzögerung und die Beteiligung des Stiftungsrates.
Das Präsidium hat kürzlich mitgeteilt, dass es einen Nachfinanzierungsbedarf aufgrund von Mehrkosten durch Verzögerungen und Preisindexsteigerungen geben würde.
Vor diesem Hintergrund habe ich entschieden, die Begleitung und Kontrolle des Bauvorhabens gemeinsam mit dem Stiftungsrat zu intensivieren. Ziel dieser Maßnahmen ist es, eine positive Entwicklung der Hochschule zum Wohle der Studierenden, der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und der Bediensteten der Leuphana Universität zu gewährleisten.
Dieses vorausgeschickt beantworte ich die Fragen wie folgt:
Zu 1. Es liegt in der Verantwortung der Universität Lüneburg als Stiftungsuniversität, eine ausreichende Risikovorsorge für ihre eigenen Bauplanungen zu treffen.
Zu 2. Das Finanzcontrolling der Universität liegt in ihrer eigenen Verantwortung. Die Universität unterliegt dabei selbstverständlich den gesetzlichen Vorschriften und den damit verbundenen Pflichten und Verfahren. Dazu gehört z.B. die ordnungsgemäße Wirtschaftsführung, die von externen Wirtschaftsprüfern im Rahmen der Jahresabschlussprüfung alljährlich testiert und dem Stiftungsrat vorgelegt wird. Der Stiftungsrat als Organ der Stiftung steht seinerseits unter der Rechtsaufsicht des MWK. Das MWK kann in dieser Funktion jederzeit Auskunft verlangen und sich Unterlagen vorlegen lassen. Außerdem kann das MWK rechtswidrige Maßnahmen der Stiftung beanstanden und ihre Aufhebung oder Änderung verlangen. Zudem ist die Stiftung bei der Ausübung der Rechtsaufsicht über die Hochschule an die Weisungen des MWK gebunden.
Erst im Jahr 2012 wurden Schritte zu einer stärkeren Kontrolle eingeleitet. So wurde eine Kanzlei beauftragt, das Land zu beraten. Konkreter Inhalt der Beratungsleistung war die "Überprüfung der Rohbauausschreibung von der Veröffentlichung bis zur Zuschlagserteilung auf Einhaltung aller in Frage kommenden Rechtsvorschriften."
Die Hochschule wurde im Oktober 2012 darauf hingewiesen, dass Sachverständigen- und Beraterleistungen unabhängig vom Auftragswert einzeln angezeigt werden müssen, einschließlich der Zusatzaufträge.
Zur Steuerung des EU-Großprojekts "Innovations-Inkubator Lüneburg" haben die Landesregierung und die NBank im August 2012 ein umfassendes Finanzcontrolling auf Grundlage der Vorschriften zur EU-Förderung vereinbart. Dazu gehört auch die Prüfung einer ordnungsgemäßen Vergabe von Leistungen im Vorfeld der Mittelauszahlung. Die NBank erstellt für MWK, das Wirtschaftsministerium (Fondsverwaltung, jetzt Staatskanzlei) und die Staatskanzlei monatlich eine Übersicht über den Status der Teilmaßnahmen des Großprojekts.
Die Landesregierung hält jedoch aufgrund der aktuellen Entwicklung eine engere Begleitung des Innovationsinkubators und des damit verbundenen Bauprojektes der Leuphana Universität Lüneburg für dringend erforderlich. Sie erwartet vom Stiftungsrat ein umfassenderes Controlling. Dies wurde in Gesprächen mit dem Stiftungsratsvorsitzenden und mit dem Präsidenten und dem Hauptberuflichen Vizepräsidenten der Universität bereits geklärt. Ziel ist die Einrichtung eines „Stiftungsausschusses Controlling“ unter Einbindung externen Sachverstands. Die Vertretung des Landes im Stiftungsrat wird entsprechende Initiativen unterstützen bzw. einfordern.
Darüber hinaus wird die Landesregierung die Bauausführung des neuen Zentralgebäudes künftig durch MWK und die Oberfinanzdirektion (baufachlich) deutlich enger begleiten, ohne dabei in den Verantwortungsbereich der Stiftungsuniversität einzugreifen.
Sollten sich dann, wenn der OLAF-Bericht sowie die Entscheidung der GD Regio vorliegen weitere Schritte als notwendig erweisen, so wird die Landesregierung diese umgehend einleiten.
3. Die Landesregierung ist der Auffassung, dass mit den unter 2. beschriebenen Maßnahmen deutlich mehr Transparenz erreicht wird. Die Landesregierung wird darauf hinwirken, dass alle Auskunfts- und Meldepflichten - auch gegenüber dem Landtag und dem Landesrechnungshof - durch die Hochschule zukünftig vollumfänglich erfüllt werden.
Artikel-Informationen
erstellt am:
03.06.2013
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